Die Heldenreise: Vertrauen in ein Happy End

Die Heldenreise: Vertrauen in ein Happy End

Menschen brauchen Geschichten. Erinnern Sie sich noch an die Märchen und Erzählungen, die Sie als Kind gehört haben? Und ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass fast alle eine ähnliche Struktur haben? Der Mythenforscher Joseph Campbell hat Märchen, Sagen und moderne Geschichten untersucht und ein immer wiederkehrendes Grundmuster entdeckt. Er nennt es die „Heldenreise“.

Erfahrungen stärken uns

Die Stationen der Heldenreise sind immer gleich: Am Anfang ist eine Situation, in der etwas nicht mehr stimmt. Eine drohende Gefahr, eine Verlusterfahrung oder etwas funktioniert nicht mehr so, wie es vorher war. Es muss sich etwas verändern – das ist der Ruf ins Abenteuer.

Erst weigert sich der Protagonist; will seine Welt nicht verlassen. Dann tritt ein Mentor auf den Plan, der unseren Helden überredet, die Herausforderung anzunehmen. Unser Protagonist macht sich schließlich auf den Weg, stellt sich seinen Abenteuern. Diese Bewährungsproben stärken unseren Helden, lassen ihn lernen – auch durch die Herausforderungen, an denen er scheitert. Eine wichtige Erfahrung.

All das dient als Vorbereitung für die „entscheidende Prüfung“, in der es oft um Leben und Tod geht. Dank seiner neu gewonnenen Fähigkeiten gewinnt unser Held diesen entscheidenden Kampf und wird reich belohnt. Mit einem Schatz in der Tasche kehrt er zurück in sein Zuhause, wo er geachtet und gefeiert wird. Die Situation ist gerettet. Ein Happy End.

Storytelling braucht Heldinnen und Helden

Kommt Ihnen das bekannt vor? Denken Sie vielleicht gerade an Luke Skywalker aus „Star Wars“, Frodo in „Herr der Ringe“, Vivian aus „Pretty Woman“, Neo aus „Matrix“? Über George Lukas weiß man, dass er seine Drehbücher eng an der Heldenreise entwickelt. Doch was macht die Heldenreise als Storytelling-Tool so erfolgreich und lässt Literaten, Regisseure und auch Werbetreibende ihre Geschichten immer wieder nach diesem Muster erzählen?

Ganz einfach: Weil wir sie oft schon als Kind in Form von Märchen gehört haben, ist diese vertraute Abfolge in unserem Hirn abgespeichert. Und mit ihr das Wissen, dass „am Ende alles gut wird“ – wir erfahren, dass die Hauptfigur dem Bösen begegnet und es mit den eigenen Stärken und Fähigkeiten besiegen kann. Märchen und andere überlieferte Geschichten haben gemeinsam, dass das Gute siegt. In diesem „gelernten Vertrauen“ gucken oder lesen wir weiter, auch wenn unsere Heldin oder unser Held in Schwierigkeiten steckt. Weil wir ganz tief in uns wissen, dass am Ende alles gut wird…

Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.

Oscar Wilde

Haltgebende Struktur auch im Coaching

Dieses Vertrauen in das gute Ende ist tief in unserem Unbewussten verankert und gibt uns auch in anderen Lebenssituationen Orientierung und Halt. Unser eigenes Leben besteht aus Konflikten und Herausforderungen, die uns hindern unsere Ziele zu erreichen. Wie wäre es da, sich selbst als Heldin oder Held zu fühlen?

Tatsächlich wird die Heldenreise auch im Coaching und der Psychotherapie eingesetzt. Einer der Einflüsse Campbells war der Psychiater Carl Gustav Jung und seine Theorie der Archetypen. Die Heldenreise ist auch hier anwendbar: Im Coaching wird gemeinsam mit dem Coachee erarbeitet, an welchem Punkt ihrer oder seiner Heldenreise sie oder er steht und was ein möglicher nächster Schritt sein kann. Das Bild der Heldenreise hilft zu erkennen, welche Fähigkeit in einer aktuell schwierigen Situation gelernt werden kann, die für die weitere Reise hilfreich ist. Und sie gibt dem Coachee die Zuversicht in sich selbst, und dass am Ende alles gut wird. Ein hilfreiches Tool übrigens auch im Hinblick auf Resilienz: Indem ich wieder Zutrauen in mein eigenes Handeln gewinne, stärke ich meine Widerstandskraft.

Zuversicht im Change

Auch in der Kommunikation zu Veränderungsprozessen kann die Heldenreise für den Ruf nach Veränderung und Wachstum stehen. Gelingt es, Vertrauen in den Weg und in ein Happy End zu schaffen, motiviert das die Beteiligten, das Vertraute loszulassen und sich den Herausforderungen zu stellen. Und sogar dann, wenn das Ende noch nicht klar ist.

Vor einigen Jahren haben wir ein Unternehmen auf dem Gang an die Börse kommunikativ begleitet. Die bevorstehende Veränderung rief sehr viel Unruhe und Widerstand bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hervor. Das Unbekannte machte ihnen Angst, die Arbeitsmoral sank und zahlreiche Konflikte unter den Mitarbeitenden lähmten den Veränderungsprozess. Gemeinsam mit dem Vorstand und Human Resources entwickelten wir ein Narrativ, das die bevorstehende Veränderung im Unternehmen anhand der Stationen der Heldenreise erzählte.

Grafik (c) innoreal GmbH

Wir arbeiteten mit konkreten Bildern aus dem Unternehmen, brachten an die Wirklichkeit angelehnte Protagonisten in die Geschichte ein, erzählten von Abenteuern und auch Gefahren und wie die Protagonisten gestärkt daraus hervorgingen. Stürmische Wasser, meuternde Mannschaften – und das Auftauchen des rettenden Ufers am Horizont.

Es gelang uns, Veränderung gestalt- und emotional erfassbar zu machen und die Mitarbeitenden mit einzubeziehen. Einige folgten dem „Ruf ins Abenteuer“ und gestalteten fortan die Veränderung im Unternehmen aktiv mit. Andere blickten zumindest zuversichtlicher auf das, was gemacht werden musste. Sie hatten etwas Vertrauen in einen vorstellbaren, positiven Ausgang geschöpft, was sich am Ende auch im Rahmen des Möglichen bewahrheitete.

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